"Schneiden ist die produktive Kritik am gedrehten Material"

Georg Janett, Cutter
26.6.1937 - 17.1.2014
(Filmbulletin 5.07)
 

Einführung in

die Technik der Film-Montage

 

Einleitung

Unter "Montage" verstehen wir die eigentliche Herstellung eines Filmes. In der Tat ist es möglich, auch ohne Kamera einen Film herzustellen. Beispiele sind: *)

  • sogenannte Kratzfilme, Zeichnungen werden direkt auf das 35mm Filmmaterial gekratztoder gemalt.
  • Computerfilme entstehen mit Hilfe geeigneter Software
  • Collagen mit Hilfe von Filmschnipseln oder Videoaufzeichnungen
  • "Found Footage"-Filme unter Verwendung von fremdem, gefundenen Filmmaterial.
  • "Let's Play"-Videos als vom Monitor "abgefilmte" Computerspiele.


Bei der Montage erhält der Film seine Aussage und einen Sinn. Sinn und Aussage können auch bei fertigen Filmen durch um-montieren total verändert und sogar verdreht werden.

Die Montage ist somit der wichtigste und kreativste Teil der ganzen Filmerei. Die Erfahrungen aus der Montagetätigkeit fliessen wiederum in die Verbesserung der Kameraarbeit ein, wenn wir beispielsweise feststellen, auf wieviele nichtverwendbare Zooms und Schwenks man eigentlich verzichten könnte.

Bitte sprechen sie nicht vom "Zusammenschneiden"! Bei diesem schaurigen Begriff könnte man zum Schluss kommen, dass es genügt, - wie bei einem struppigen Strauch -, alles Verdorrte abzuhauen, um zu einem ordentliches Resultat zu kommen.

Im Folgenden beschreibe ich lediglich Methoden und Technik der Montage. Zur Ästhetik der Montage gibt es unzählige Stile und Vorlieben. Analysieren sie Filme von anderen Autoren oder studieren sie Bücher zum Thema Filmschnitt und Montage!

*) Beispiel für Film ohne Kamera: "Die Befreiung des Joseph Keepley"

 

Die nonlineare Schnitt-Technik

Dazu benötigen sie entweder einen geeigneten Computer mit einer Schnitt-Software oder ein sogenanntes "Stand-alone-Schnittgerät" (z.B. CASABLANCA) und natürlich die filmtheoretischen Kenntnisse über das Wesen der Montage. Diese virtuelle Montage erlaubt ein chaotisches, weniger papierplanmässiges Vorgehen, weil ja in jedem Bearbeitungsstadium jeder Fehler, falls er erkannt wird, ganz einfach am Bildschirm korrigierbar ist.

Hier eine Liste von Videoschnitt-Software https://de.wikipedia.org/wiki/Videoschnittsoftware

 

1.Schritt

Es lohnt sich, von Beginn auf eine gewisse Ordnung und Struktur mit den Dateiverzeichnissen zu achten. Ich lege für jedes neue Projekt eine eigene Ordnerstruktur an.
VIDEO(D:)     DeinFilm_01
         folderBilder        (Grafiken, Fotos)
         folderClips          (Roh-Filmclips vom Camcorder)
         folderFilme         (fertig montierte Filme,Varianten im Videoformat .avi, .mpg, .mp4)
         folderPack          (gesammelte Dateien für Archiv, nach Abschluss des Projektes)
         folderPrkt           (Projektdateien vom Schnittprogramm)
         folderText           (gesammelte Infos zum Film, Kommentartext, Drehbuch)
         folderTon            (Geräusche, Musik, Kommentar)
         folderTEMP        (temporäre Arbeitsdateien, )
Dabei überprüfe ich vor Beginn im Schnittprogramm, dass die Voreinstellungen für die diversen Speicherorte übereinstimmen. Beim Speichern verfolge ich wo gespeichert wird. Nicht einfach >Speichern >OK ....
ACHTUNG! Wenn man erst im Verlauf der Schnittarbeit anfängt neue Ordner anzulegen oder Dateien umzuzügeln kann ein grosses Durcheinander angerichtet werden. Das Schnittprogramm findet möglicherweise die Links zu den Clips nicht mehr (s. weiter unten).

1.1 Variante mit DV-Kassetten    (heute nicht mehr gebräuchlich)
Durch den geringen Preis der DV-Kassetten lohnt es sich diese Originale zu archivieren. Damit ich  bei späterem Bedarf die Aufnahmen auch wieder finde, nummeriere ich alle Kassetten fortlaufend und lege eine Tabelle (zB.Excel) an.  

Das Überspielen der Filme auf den Computer nennt man Capturen. Das Capturing-Tool stelle ich so ein, dass es einzelne Einstellungen in Clips trennt. Die Namensgebung der einzelnen Clips soll aus der Kassettennummer und einer fortlaufenden Nummer bestehen. So erkenne ich später immer anhand der „sprechenden“ Clipbezeichnung, auf welcher Kassette das Original zu finden ist.

Heutige Standard-PCs bieten keinen IEEE1394-Link für die Überspielung via Kabel mehr an. Ein nachträglicher Einbau einer sogenannten FireWire-Karte ist erforderlich.
Passendes IEEE1394-Kabel (normal: von 6 auf 4polig)    

ACHTUNG! DV-Kamera nicht entsorgen, sonst nützt auch das schön geordnete DV-Kassetten-Archiv nicht viel!

 

1.2 Variante mit Dateien von Kamera-Harddisk oder Speicherkarte
Hier geht der Transfer auf den Schnittcomputer einfach und auch schneller. Es handelt sich lediglich um ein Kopieren von einem auf den anderen Datenträger. Technisch funktioniert dies entweder via Kabel vom Camcorder oder die Speicherkarte wird gleich in den passenden Slot am Computer gesteckt. Ziel der Kopie ist der Ordner “Clips“.

 

2.Der Schnittplan

In welcher Reihenfolge sollen nun die erforderlichen Filmteile (Clips) zum fertigen Film zusammengefügt werden? Dies zeigt uns der Schnittplan auf Papier oder im Kopf!

Ist der Film von Anfang an nach Drehbuch gestaltet, geht es lediglich um eine Fleissarbeit. Fehlt aber ein Drehbuch, wie es im Amateurfilm häufig ist, müssen wir uns fragen, welcher Art nun der fertige Film sein soll.

  • chronologische Abfolge der Ereignisse?
  • nach Themen oder nach vorhandenem Kommentar geordnet?
  • poetische Form?
  • nach vorhandenem Musikstück?
  • welche Länge soll der Film haben?
  •  

Wirklich genial beim Videofilmen ist die Tatsache, dass wir aus dem gleichen Originalmaterial mehrere, ganz unterschiedliche Filme herstellen können.

Grundregel zur Filmlänge: Eine einfache, geradlininige dramatische Struktur mit Anfang, Mittelteil und Schluss trägt einen Film über 10, maximal 20 Minuten. Dauert der Film länger, ist der Bogen überspannt und das Publikum langweilt sich. (Quellenangabe: Das Produktionshandbuch, Swiss Film and Video Producers 1998)

Ein Kennzeichen, ob es sich um eine gerade oder "krumme" Erzählstuktur handelt sind die Überleitungen zwischen den Ereignissen.

"Und dann ..." – "und dann ..." = geradlinig,

"und weil ..." – "und weil ..." = verzweigte Struktur.

Damit es einfach bleibt, bezieht sich folgendes hauptsächlich auf den klassischen Filmstil mit der Montage von Zeit und Raum, wie wir es uns gewohnt sind vom Hollywood-Erzähl-Kino.

 

Mittels einer Videoschnitt-Software wird mein ganzes Film-Projekt auf dem Bildschirm visualisiert. Analog der bekannten Text- und Bildverarbeitung am PC kann ich mit simplen Mausklicks meinen Film montieren, begutachten, kürzen, ändern, vertonen, auf DVD brennen oder auf USB-Stick, HDD oder Band kopieren und natürlich auf VIMEO oder YouTube hochladen. Im Schnittprogramm kann man den ganzen Film laufen lassen. Aber ACHTUNG, das ist nicht der reale Film, das sind lediglich unterschiedliche Ansichten auf die Original-Clips. Analog einem Zimmerfenster mit einer Aussicht. Wenn ich das Fenster versetze, z.B. in den Keller, dann ist auch die Aussicht weg! Im Schnittprogramm kann ich die Clips teilen, kürzen, auf den Kopf stellen oder löschen, - den Original-Clips passiert gar nichts. Schnitt-Neulinge sind oft erstaunt, wenn sie ihr Projekt mittels USB-Stick auf einen anderen PC zügeln und dann dort nichts mehr zu sehen ist! Der Befehl für die Erstellung des realen Films lautet beispielsweise: "Film erstellen", "Videodatei erstellen", "Rendern als..." oder "Exportieren als Videodatei". Dabei kann noch das gewünschte Format gewählt werden. Die beste Wahl ist vorerst das identische Format wie die Original-Clips. Vorher wird das ganze Projekt jeweils noch gerendert dh. berechnet.


3.Definitionen / Terminologie

Die Elemente der Film-Montage

Mit Einstellung bezeichnen wir ein ohne Unterbrechung aufgenommenes Stück Film. Eine Einstellung aus dem Originalfilm können wir teilen, worauf wir mehrere Einstellungen erhalten. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass auch ein Stück "Nichtfilm" wie beispielsweise Schwarz als Einstellung gelten kann.

Unter Schnitt verstehen wir den Übergang von einer Einstellung zu nächsten. Wir unterscheiden vom Prinzip her:

  • Harter Schnitt
  • Blende

Beim harten Schnitt werden zwei Einstellungen, - wie der Name sagt -, hart aneinandergefügt. Dies ist der Normalfall, und es ist auch ohne weiteres möglich, einen ganzen Film auf diese Art zu montieren. Durch geschickte Auswahl von Ende und Anfang der zu verbindenden Einstellungen kann ich einen solchen technisch harten Schnitt sehr weich und sogar unsichtbar machen. (Schnitt in die Bewegung, Schnitt auf Ähnliches wie: Dampf auf Rauch, dunkle Fläche auf dunkle Fläche).

Das Kennzeichen der Blende ist, dass der Anfang der folgenden Einstellung aus dem Ende der vorhergehenden erscheint, dh.: sie überlappen quasi. Bekannt sind Auf- und Abblenden, die klassische Überblendung, Schiebeblenden und ,- seit dem Aufkommen des Schnittcomputers-, unzählige mehr oder weniger sinnvolle Effekte.

Als kleinster Teil einer Filmhandlung bezeichnen wir die Sequenz. In einer Sequenz sind einzelne Einstellungen in der Art zusammengefügt, dass ein Sinn oder eine Mini-Geschichte resultiert. Man spricht auch von der Auflösung einer Sequenz. Bewährt hat sich innerhalb einer Sequenz der harte Schnitt.

Der allgemeine Begriff Szene bezeichnet eine Einheit der Erzählung. Eine Szene kann aus einer einzigen Einstellung oder aus einer Sequenz bestehen.

 

4.Begriffs-Entwirrung

Wir sehen dass es also Begriffe gibt, welche, je nachdem wir über Kameratechnik oder Filmgestaltung sprechen, eine unterschiedliche Bedeutung haben.

  • Einstellung = Kameraeinstellung wie: Brennweite, Blendeneinstellung, Hand / Automat, Kamerahöhe und Winkel > in der Aufnahmetechnik
  • Einstellung = Element der Filmmontage > bei der Montage
  • Blende = Irisblende (Formelzeichen f ), Sonnenblende, >in der Kameratechnik
  • Blende = Abblende, Aufblende, Schiebeblende > bei der Montage
  • Schnitt = beim chemischen Film (zB: Super-8) schneidet man den Filmstreifen mechanisch entzwei, mit der Schere. Anschliessend werden die passenden Filmstücke wieder zusammengefügt, geklebt.
  • Schnitt = bei der Filmgestaltung, der Montage, sprechen wir aus Tradition immer noch vom Schnitt, auch vom Tonschnitt, trotzdem beim heutigen Video natürlich nicht mehr physisch geschnitten wird.  
  • Schnitt = Art, wie der Film von der Ästhetik her montiert wurde. Nicht nur die Übergänge wie harter Schnitt oder Blenden, sondern auch die Länge der Einstellungen beeinflussen den Schnitt. Wenn wir über einen Film reden, können wir vom schnellen, hektischen, raffinierten, gemählichen oder rhytmischen Schnitt sprechen.
  • Clip. Bei der Montage am PC taucht der Begriff Clip auf. Hier, bei der Filmbearbeitung am Computer ist es nicht üblich, das ganze Original-Video auf die Hard-Disk zu überspielen. Anhand unseres Schnittplans kopieren wir nur diejenigen Abschnitte, welche für die geplante Montage voraussichtlich nötig sind. Diese Abschnitte nennt man Clips (clip = engl: aus-, ab-, beschneiden). 
  • Als Clip kann aber auch ein kurzgeschnittenes Videofilmchen bezeichnet werden wie beispielsweise ein Music-Clip oder ein Werbe-Clip.
  • Auflösung = Die Körnigkeit von chemischem Film (z.B.: 1000 Linien/mm)
  • Auflösung = Anzahl Pixel und Bildwechsel beim digitalen Video (z.B.: FULLHD TV, 4K)
  • Auflösung = Bei der Montage eines Films, welche Einstellungen (Schnitte) zu einer Sequenz (Szene) zusammengefügt werden.

 

5.Ablauf der Montage      

  • Aufteilung des ganzen Film-Projektes in überblickbare Einzelteile von ca. 2 Minuten.
  • Montieren der Einzelteile (zB: zu Sequenzen, Sequenzgruppen oder zu Kurzfilmchen)

Als Beispiel das weitere Vorgehen bei einem einfachen Ferien-/Reisefilm:

  • Den fertig montierten "Kurzfilmchen" einen Attraktivitätsgrad zuordnen. Anschliessend ganzen Film so zusammenstellen, dass

1. zuerst etwas Interessantes kommt, dann

2. das, was man sonst noch zeigen wollte und

3. am Schluss die ultimative Sensation mit dem Ende. (Angestrebte Zuschauerreaktion:"Schade, schon fertig!")

  • Verschiedene Variationen und Kombinationen ausprobieren!

Weil das Resultat sofort sichtbar ist, kommt fast automatisch die Freude und Experimentierlust an den unbegrenzten Möglichkeiten der Montage.

  • Teil-Projekte in der gefundenen Reihenfolge zum Gesamtprojekt zusammenfügen.
  • Titel, Feinschnitt und Vertonung fertigstellen.

 

Die professionelle Montage

Wie arbeiten Profi-Cutterinnen und Cutter? (engl.: Editor).

Siehe folgenden, zweiminütigen Überblick

Das Original in englisch findet sich hier:

https://insidetheedit.com/mcf/tutorials/      oder

https://vimeo.com/90125079

 

 

30.10.2003       hagi      R: 4.1.07   R2: 24.6.13   R3:7.8.14 R:20.8.17 R27.10.17