Zur Diskussion über den Amateurfilmer-Status

Nachstehend einen im "Clubspiegel des Filmclub Offenbach" erschienenen Aufsatz von
Mechthild Winkler vom Filmclub Offenbach


Seit Jahrzehnten nennen sich die nichtkommerziellen Filmer "Amateure". Fast alle Clubs des BDFA ("Bund Deutscher Film-Amateure" d. Red.) firmieren irgendwie unter dieser Bezeichnung und natürlich tut es auch unser Dachverband (noch). Jetzt ist das alles in Bewegung gekommen. Viele bisherige Amateurfilmclubs wollen die Bezeichnung aus ihrem Namen streichen. Wir selber haben es schon getan, allerdings aus Gründen der Griffigkeit und in der Annahme, dass der Zusatz "im Bund deutscher Filmamateure" uns eindeutig ausweist.

Warum aber der Trend zur Abschaffung der altehrwürdigen Bezeichnung?

Viel Unausgesprochenes und meiner Meinung nach Unausgegorenes schwingt in diesen Bestrebungen mit. Ich denke, wir sollten zunächst einmal versuchen, uns Klarheit zu verschaffen.

Von Anfang an, so scheint es mir, gab es da zwei nebeneinander herlaufende Auffassungsstränge: den einen, der vom ursprünglichen Wortsinn ausgeht, den andern, der dem Sprachgebrauch folgt, welcher in Mode gekommen ist.

Ursprünglich war "Amateur" ein Ehrenname. Er bezeichnete den Liebhaber einer Sache oder einer Tätigkeit, der sich ihr aus freien Stücken widmete, aus Liebe, ja aus Leidenschaft, und der dabei nicht aus äusserer Notwendigkeit, sondern aus innerem Antrieb nach Vollkommenheit strebte. Vor daher gesehen war manchmal der eigentliche und wesentliche Unterschied zum Berufstätigen für den Amateur seine Freiheit   neben der Bezahlung, versteht sich. Und dieser finanzielle Aspekt brachte dann schliesslich die Verschiebung, der wir uns heute gegenübersehen.

Es ist müssig, der Entwicklung im einzelnen nachzugehen. Beispielhaft lässt sie sich beim Sportsektor ablesen. Da, wo Höchstleistungen nur unter Einsatz aller Kräfte, mit materiellen Hilfsmitteln und daher mit Notwendigkeit finanziellen Entgelts erbracht werden (können), ist der reine Amateur im Nachteil.

Das war natürlich auch auf dem Sektor Film so, und zwar von Anfang an. Denn hier war ein Wirken ohne die notwendigen Hilfsmittel   Kamera, Filmmaterial, Klebepresse als Mindestausstattung erst gar nicht gegeben. Filme konnten nur Profis machen, in für Nichtprofessionelle unerschwinglichen Studios. Erst als gezielt Geräte und Material für private Interessenten auf den Markt kamen, erschloss sich Filmen als Amateurtätigkeit.

Der Qualitätsunterschied zu den beruflich hergestellten Filmen war dabei bereits durch das Handwerkszeug vorgegeben. Daher war es für die Filmamateure schlicht eine Erfahrungstatsache, dass sie mit den Profis nicht konkurrieren konnten, was technische Qualität und Bewältigung bestimmter Filmthemen betraf.

Diese Beschränkung wurde indes nicht bedauert, nicht einmal nur hingenommen, sie war vielmehr der Anreiz, auf dem Gebiet, auf dem man als Amateurfilmer seine Chance hatte, nach Vollkommenheit zu streben. Und diese Chance lag in der Freiheit: Freiheit, eigene Themen aus der erreichbaren Umwelt zu schöpfen; Freiheit, einen eigenen Stil zu entwickeln; Freiheit, nicht auf die Erwartungen eines Massenpublikums reagieren zu müssen, d.h. experimentieren zu können, gegen den Strom zu schwimmen, kurzum, nicht den professionellen Filmern hinterher zu laufen.

Was sich unter dem Zwang der Verhältnisse im Bereich der Filmer entwickelte, der anerkannte Unterschied zwischen Profis und Amateuren, wurde lange Zeit nicht hinterfragt. "Amateur" als Ehrenname für den freien Künstler, Amateur" als Bezeichnung für den, der sich nolens volens mit geringeren Möglichkeiten zufrieden geben muss, das ging beides in das Selbstverständnis der Amateurfilmer ein.

Zum Anstoss geworden ist der Begriff in unseren Reihen erst in jüngerer Zeit, und ich denke, das hat tiefere Gründe.

Der zu Anfang erwähnte zweite Strang im Selbstverständnis der Filmamateure ist gegenstandslos geworden, nämlich dass man mit den Profis von vornherein nicht mithalten könne. Es gibt inzwischen Geräte, mit denen wir den Qualitätsstandard professioneller Erzeugnisse erreichen. Auch in dieser Hinsicht können wir uns jetzt mit ihnen auf eine Stufe stellen; vom künstlerischen Anspruch her taten die besten unter uns es schon lange. Warum sich also immer noch durch das inzwischen weithin als abschätzig empfundene Wort "Amateur' klassifizieren lassen?

Wenn es denn tatsächlich um Deklassierung   und nur darum   geht, kann ich den Wunsch der Filmclubs nach Ablegung des alten Namens verstehen. Aber geben wir damit nicht doch mehr auf als eine uns zu Unrecht disqualifizierende Bezeichnung? Verband sich bisher mit dem Namen „Amateur" nicht auch der Anspruch auf anerkannte Eigenständigkeit? Bringen wir uns nicht selbst in eine Situation, die nicht nur den Vergleich, sondern auch den Konkurrenzkampf mit den Profis herausfordert? Nehmen wir damit nicht in Kauf, dass man uns statt an unseren eigenen Ansprüchen am Zeittrend und Massengeschmack misst?

Was wollen wir sein, wenn nicht Amateure? Was wollen wir schaffen, wenn nicht den an eigenen Massstäben zu messenden Amateurfilm? Dass diese eigenen Massstäbe innerhalb des Genres eine Klassifizierung von künstlerischen Spitzenleistungen bis zu dilettantischen Eintagsfliegen ergaben, haben wir doch schon seit vielen Jahren beobachtet und uns im Bewusstsein unseres tatsächlichen Könnens nicht davon beeindrucken lassen, so wenig wie ein qualifizierter Schriftsteller davon beunruhigt ist, dass sich auch der Verfasser von Groschenromanen Schriftsteller nennt.

Wir werden es aushalten müssen, dass es Amateure gibt, die Dilettanten sind; andere werden zur Kenntnis nehmen müssen, dass es Amateure gibt, die Künstler sind.

Eine freilich grobe Unterscheidung zwischen den einen und den andern lässt sich gewinnen, wenn man sich an der Mitgliedschaft in Filmclubs orientiert. In ihnen trifft man auf die bewusst gestaltenden Amateure; mit andern Worten, man trifft auf Filmautoren.

Wenn überhaupt, dann schiene mir diese Bezeichnung geeignet, das Wort "Amateure" für Filmclubmitglieder abzulösen. Denn dass wir eigenständige Autoren sind (selbst da, wo eine zweite Kamera uns zusätzliche Aufnahmen liefert oder jemand uns bei der Textgestaltung behilflich ist), das halte ich für ein wirkliches Kennzeichen. Filmautor, im Unterschied zum professionellen Drehbuchautor, das ist derjenige, der seinen Film von der Idee bis zur Fertigstellung selber macht. Selbst wenn es da fliessende Grenzen gibt, sind Ein-Mann-Betriebe im kommerziellen Film selten, und die Bezeichnung Filmautor wird in diesem Bereich (noch) nicht einschlägig verwandt. "Bund deutscher Filmautoren" (in der Schweiz "Bund schweizerischer Filmautoren" d.Red.) könnte eine fester Begriff werden, der nicht von einer blossen Negation lebt, sondern einen Tatbestand beschreibt und zudem den Amateurbegriff in seiner positiven Form der persönlichen Leistung ausklingen lässt.

Meine eigene Tendenz wäre freilich, dafür zu plädieren, dass wir uns nicht nur als Liebhaber des Filmens fühlen, sondern uns auch durch unsere Namengebung als Amateur ausweisen. ich würde vorschlagen, dass wir durch unser deutliches Eintreten für den Ehrennamen Amateur ebenso wie durch das, was wir an Filmen zustande bringen, dem Amateurbegriff neuen Glanz zu geben versuchen.

Mechthild Winkler




Obige Ausführungen der deutschen Filmautorin treffen auch für schweizerische Verhältnisse zu und finden ihren Niederschlag in ähnlichen Bestrebungen, wie in Deutschland.

Hintergrund für diese Diskussion bildet die Bestrebung vieler Filmamateurclubs, sich in "Nichtprofessionelle" Filmer umzubenennen!
März 1999