Texte zu Filmkommentar schreiben


Auszug aus:
Konstanze Werner, Horst Werner
Jeder kann Video
UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz, 2010




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Kapitel 8                      Texten - weniger ist mehr

 

  • Ach, so kurz!
  • In der Kürze liegt die Würze
  • Textpersonen
  • Aller Anfang
  • Subtext
  • Nach dem Anfang ist vor dem Ende
  • Nur zehn Wörter pro Satz - und keine Fremdwörter!
  • Text erzählt
  • Die No-No-Liste
  • Das böse, böse "-ung-Wort"
  • Sinnlicher Text für "Garten der Sinne“



 

Ach, so kurz!

Den meisten Videoreportern wäre es wohl am liebsten, einen Film ganz ohne Text laufen zu lassen. Denn wer schon einmal zu texten versucht hat, stellt schnell fest: "Das ist ja viel schwieriger, als ich gedacht habe ... !"

Stimmt. Einfach ist es nicht, einen interessanten, erzählenden und zeitlich passenden Text zu verfassen. In der letztgenannten Anforderung steckt nämlich das grösste Problem. Wer sich vor seinen Monitor setzt, den Film, im Pinnacle Menü "Filmkommentar aufnehmen" startet und die rote Lampe für den Einsatz zur Sprachaufnahme blinken sieht ,,3, 2, 1 ..." erkennt schnell, dass die einzelnen ,,Takes" schrecklich kurz sind. Viel zu kurz! Im Schnitt hat man sich noch diszipliniert, man hat eventuelle Längen heraus gekürzt. Das "rächt" sich nun. Denn jeder gewöhnliche Subjekt/ Prädikat/Objekt Satz, den wir in Briefen, Mitteilungen oder Blogs schreiben, übersteigt im Normalfall bei weitem die Länge eines Film Takes. Das Ganze ist ein einfaches Rechenexempel: ein Film von etwa zwei Minuten Länge, darin enthalten einige O-Töne, hat als Textzeit etwa eine Minute und zehn Sekunden. Ziehen wir die Pausen vor und nach den Umschnitten ab, dann reduziert sich der Textanteil auf eine einzige Minute. Eine Minute Text! Das sind 15 Zeilen auf einem DINA4 Blatt. Und darin sollen wir nun witzig formulieren, alles erklären, zu den O-Tönen hin und wegführen ...

Keine Sorge, es geht.


 

In der Kürze liegt die Würze

Diese Übung trainiert, kurz und trotzdem spannend zu erzählen.

Es hilft, sich von Anfang an klar zu machen: Wer bin ich eigentlich, in welcher Rolle will ich zum Zuschauer sprechen?

Man nennt das die Definition der Textperson (Wer sich etwas für die theoretischen Grundlagen und viele weitere gute Tipps interessiert, kann hier fündig werden: Ordolff, Martin, Wachtel Stefan: Texten für TV. Konstanz, 2009)

 

Übung
Stellen Sie sich vor, sie müssten Ihre
Erlebnisse der letzten vier Stunden
sowohl der schwerhörigen Oma in
Uelzen (möglichst noch am Telefon)
als auch dem vierjährigen Nachbars-
jungen von nebenan erzählen und
zwar in 30 Sekunden.

 

Beispiele: die "normalste" Haltung ist die des erzählenden, beschreibenden Reporters. Das sieht und hört man täglich im Fernsehen, aber genau so ist man täglich genervt von mangelnder Inspiration, Unverständnis. Ein gutes Beispiel dafür: viele Nachrichtensendungen. Jeder kann das im Selbstversuch abends feststellen: Wie viel habe ich von dem, was mir in dieser Sendung Präsentiert wurde, verstanden? Und wie viel habe ich davon behalten? Uns lassen die dort ausgestrahlten Filme häufig ratlos zurück wir fragen uns, was die in dem Beitrag gezeigten Menschen gerade tun, warum sie auftauchen und was uns die Autoren eigentlich über sie berichten wollen. Wir wissen, dass sich Redaktionen grundsätzlich darum bemühen, die Komplexität der Beiträge zu reduzieren, und dafür die Verständlichkeit der Texte, vor allem aber die der Bilder, zu erhöhen.

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Textpersonen

Vor dem Texten also müssen wir uns klar darüber werden, welche Haltung wir einnehmen, welche "Textperson" wir darstellen wollen. Wichtig ist, die einmal gewählte Position konsequent durchhalten!

Hier eine kleine Auswahl:

Man kann zum Beispiel eine erzählende Haltung einnehmen wie im Märchen. Wenn ein Film mit: "Es war einmal..." beginnt, ruft er beim Zuschauer eine sehr konkrete Erwartung im Hinblick auf den Erzählstil hervor.

Sehr gerne wird auch eine kritische Position eingenommen. Wenn sie durch das Bildmaterial die O-Töne und insbesondere Interviews und Fragen gestützt wird, kann eine solche Haltung zu ansehnlichen Ergebnissen führen. Ist allerdings nur der Text in der "Kühle der Redaktionsstube" kritisch verfasst, aber der Film belegt die Kritik an keiner Stelle, dann wird die Absicht konterkariert wir glauben dem Autor nicht. Wer sich also gerne "kritisch gibt", sollte sich Fragen und Argumente, gespeist aus den Rechercheergebnissen, zurechtlegen, die dann bei Interviews den Partnern entgegengehalten werden können. "Kritische", oder wie der Fachbegriff heisst, investigative Filme reihen ein Argument ans andere, wie die Perlen auf der Schnur. Bilder, O-Töne, und Textpassagen belegen Thesen, die dem Zuschauer nachvollziehbar präsentiert werden.

Gerne eingenommen wird auch die ironische Haltung. Wir wollen nicht davor warnen aber es ist unbestritten, dass Ironie häufig nur vom Autor verstanden wird, der Rest der Welt hingegen die Aussagen fehlinterpretiert, oder zumindest rätselhaft findet. Wenn die ironische Haltung gelingt, führt sie zu herrlichen Ergebnissen solche Filme schaut man sich gerne mehrfach an.

Zum Beispiel den Schrankenwärter am Bahnübergang von Gross Duengen

Video auf YouTube  

http://www.youtube.com/watch?v=xZYvQNB5FXY

Darin enthüllt eine NDR Reporterin die unfreiwillige Komik der Arbeit von Schrankenwärter Laumann. Hinter seinem Bahnübergang ist die Strasse nämlich zu Ende. Er öffnet und schliesst die Schranke nur für die Bewohner eines einzigen kleinen Hofes. Unvergesslich die Szene, in der es zur "Signalmittelprüfung" kommt, Schrankenwärter Laumann pustet ins Signalmittelhorn und stellt fest, dass ein Ton herauskommt, es also funktioniert, und das wird fein ordentlich protokolliert.

Das wirkt urkomisch. Die Ironie, die in diesem Film nur durch den Text und die Art des Vortrags transportiert wird, funktioniert gut. Aber: Man muss ein Auge haben für Themen, die solche Ironie vertragen.

Es gibt noch viele weitere Ausprägungen von Textpersonen. Ein gern benutztes Beispiel: die stark zurückgenommene Variante. Das heisst, der Film funktioniert ganz ohne Text, nur mit Hilfe der O-Töne, der "situativen -Töne" und der Off-Töne. Diese Spielart verlangt viel Arbeit vor Ort, denn man muss die Partner zum ausführlichen Erzählen animieren, in möglichst ruhigen Winkeln, da man sie ja später, im Film über lange Strecken nicht sehen kann, sondern nur hört, was sie er­zählen. Im Bild sehen wir meist, wie sie ihre normalen Tätigkeiten ausüben. Die O-Töne müssen so ausführlich sein, dass man eine gute Auswahl hat und experimentieren kann. Ausserdem müssen die Einstellungen/O-Töne alle Themenbereiche abdecken, die im Film angesprochen werden und die zu sehen sind, denn sonst entsteht Sünde Nummer 1, die da heisst: Verwirrung.

Die Textperson kann sich aufs Geschehen konzentrieren oder sie kann sich nur und ausschliesslich dem oder den Protagonisten zuwenden das wäre dann die klassische Reportage. Es gibt also viele schöpferische Möglichkeiten.

Noch einmal wiederholt, weil's wichtig ist: Die einmal eingenommene Haltung der Textperson muss bis zum Schluss durchgehalten werden! Wer die Textperson in einem Film, womöglich sogar mehrfach, wechselt, irritiert den Zuschauer. Viele andere "Sünden" verzeiht der Filmkonsument, diese Sünde der Verwirrung nicht. Sie führt innerhalb von Sekunden zum Abschalt oder Wegklickimpuls.

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Aller Anfang ...

Nach all den aufregenden Hindernissen, die man bis hierher mehr oder weniger elegant und kreativ umschifft hat, kommt nun also der einsame Moment des Textens. Man bereitet sich vor, schaut sich den Film, den man schon fast auswendig kennt, noch einmal an und wartet auf die Inspiration. Aber die Muse will einfach nicht küssen. Man schreibt einen ersten Anfang hin, verwirft ihn wieder, einen zweiten, einen dritten, verwirft alle und beginnt, das gesamte Projekt insgeheim zu verwünschen.

Unser Trost: diese Blockaden am Anfang der Textarbeit sind völlig normal.

Bis hierher hat man sich um so vieles kümmern müssen: Fakten, Bilder, Töne, Protagonisten. Von all dem muss man nun erst einmal Abstand nehmen. Und durchatmen! Jetzt hilft ein Blick in die Unterlagen, die man sich hoffentlich vom Drehort mitgenommen hat. Zum Beispiel alle Prospekte, die herumlagen. Oder man wirft einen Blick ins Netz. Man beginnt mit der Website des Drehpartners, recherchiert assoziativ bei Google oder Wikipedia. Und schliesslich ist es äusserst hilfreich, einen Blick in die eigenen Notizen zu werfen, also das Recherchebuch. Wir haben nach dem Dreh, wie in dem entsprechenden Kapitel schon beschrieben, die Kamera beiseitegelegt und eine Fülle von Informationen erfragt, von denen wir glaubten, sie könnten irgendwann nützlich sein. Also: Alter, Beruf, Ausbildung, Werdegang der Menschen, mit denen wir zu tun hatten; natürlich auch die emotionalen Fragen gestellt, wie zum Beispiel "Was war für Sie das Überraschendste, das sie erlebt haben? Was hat sie schon einmal richtig erfreut? Worüber haben Sie sich geärgert?" Da kommen dann in den meisten Fällen die persönlichen Antworten, die man noch am Drehen protokolliert sonst vergisst man sie nämlich wieder! Sie sind Grundlage für den Text.

Die grösste Hürde beim Texten türmt sich auch deswegen am Anfang auf, weit hier der Kammerton für den gesamten Beitrag vorgegeben wird.

Wenn es dann wirklich los geht, sollten alle vorformulierten Textangebote wieder vom Tisch: Prospekte, Flyer, Pressetexte, deren gefällige Formulierungen man nur allzu gerne übernimmt. Denn diese Texte sind zum Lesen geschrieben. Wir brauchen aber Texte fürs Hören. Mehr noch: Texte, die unsere Augen beim Verstehen der Bilder/Sequenzen unterstützen.

Der beste Anfang ist deshalb ... eine Pause. Lassen wir den Betrachtern ein paar Sekunden Zeit, sich im Videobild zurechtzufinden. Ergänzen wir zu Beginn diese Orientierung nur mit wenigen Begriffen, Halbsätzen ...

Denn wenn der Zuschauer schon am Anfang des Videos erraten muss, wer das ist, den er da sieht, und was dieser Mensch eigentlich tut - dann hat der Videoreporter Sünde Nummer 1 begangen. Und dagegen hilft kein Ablass. Der Rezipient hilft sich selbst und macht von dem Recht auf sinnvolle Verwendung seiner Lebenszeit Gebrauch - er klickt weg.

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Subtext

Viele Videoreporter retten sich aus dieser Situation mit einer reinen Bildbeschreibung. In unseren Seminaren zum Thema "Wie mache ich gutes Fernsehen?" lassen wir häufig Beiträge über das Leben von Blinden herstellen. Überraschenderweise gibt es nämlich eine grosse Anzahl von Hilfsmitteln für sie: Brailleschrift auf der Computertastatur und an den Aufgängen zu Bahnsteigen, Leitlinien auf Gehwegen, dreidimensionale Übersichtstafeln ...

Diese Einstellung findet sich deshalb zu Recht immer im Film:

Die blinde Grit ertastet mit ihrem Stock die Leitlinien die sie vor der Kante des Bahnsteigs und dem einfahrenden Zug warnen.

Eine typische Bildbeschreibung wäre nun: "Die blinde Grit steht am Bahnsteig und wartet auf den Zug!" Genau das sieht aber jeder. Das ist also langweilig! Emotionslos! Dabei steckt in diesem Bild so viel mehr! Ein spannender Subtext könnte demnach folgendermassen lauten: "Angst! Sind das schon die Gleise? Sie darf keinen Zentimeter zu weit gehen. Jede Reise ist für die blinde Grit die Hölle..."

Der Subtext dockt also am Bild an und erklärt es (" ...die blinde Grit...''), er erzählt aber vor allem, was man nicht sieht, gibt Informationen, die der Reporter recherchiert hat: „Jede Reise ist für die blinde Grit die Hölle ...“.

Der Aufmerksamkeitspfeil wird sozusagen in den Spannungsbogen eingelegt und die Sehne gespannt. Man möchte jetzt wissen, ob und wie Grit es schafft, ans Ziel zu kommen. Und deshalb bleibt man dran. Der Anfang verspricht, gleich mehr darüber zu erfahren, wie Grit ihre Schwierigkeiten meistert. Nach unserer Erfahrung "flutscht" es viel leichter, wenn der Anfang geschrieben wurde. Die Textperson steht fest, die ersten Sätze definieren den Stil des Textes und transportieren Basisinformationen, die man benötigt, um in den Film hineinzukommen.

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Nach dem Anfang ist vor dem Ende

Hier ein paar Tipps für das weitere Texten, nachdem man die ersten 20 Sekunden geschafft hat:

Video- / Fernseh- / Film-Texte können auch als "sprechbare Gedankenschritte" bezeichnet werden. Wenn man sich beim Probelesen immer wieder an ein und derselben Stelle verhaspelt, weil dort die Luft fehlt oder zu viele Substantive aufeinander folgen, dann sollte der Text an dieser Stelle geändert - eben sprechbar - werden. Im Text muss ein Schritt auf den andere, folgen, so wie man auf einem Weg vorangeht. Nur sollten es hier "Gedankenschritte" sein. Sprünge sind mit Risiko verbunden wie im richtigen Leben. Denn jeder Sprung beinhaltet die Gefahr, dass der Aufmerksamkeitsfaden reisst. Wegklick oder Abschaltimpulse sind die Konsequenz. Wir bezeichnen unsere Rezipienten gerne als scheue Rehe, die im frühen Morgendunst auf einer Waldlichtung äsen und sich immer wieder vergewissern, ob es nicht irgendwo besseres Gras gibt. Eine einzige piekende Distel, etwas verdorbenes Kraut und schon hüpfen die Rehe davon, auf der Suche nach neuen, interessanteren Futterplätzen. Wir beschreiben hier etwas ironisch, was die empirisch ermittelten Zahlen der Zuschauerforschung belegen: Zuschauer sind unstet, schnell gelangweilt, gnadenlos im Wegzappen. Gewissensfrage: Verhalten wir selbst uns anders?

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Nur zehn Wörter pro Satz - und keine Fremdwörter!

Um erst gar keinen Fluchtimpuls des Zuschauers aufkommen zu lassen, schreiben wir einen klaren Text mit kurzen, einfachen Sätzen, die bei einmaligem Hören sofort und gut zu verstehen sind. Wir wissen, dass diese Art zu texten mit den sonstigen Anforderungen an Schriftstücke, die im Laufe eines Lebens verfasst werden, nichts zu tun hat: mit Thesenpapieren, Beschlussvorlagen, Examensarbeiten ... Meist sollen sie bedeutungsvoll sein, gescheit klingen und unsere Bildung belegen. Nach diesem Muster einen Film / VideoText zu verfassen wäre katastrophal! Denn: Bedeutungsträger ist in erster Linie das Bild zu etwa 85 Prozent. Demzufolge bleiben nur 15 Prozent - NEIN - nicht für den Text, sondern für alles, was wir hören: Geräusche, Musik, O-Töne, Off-Töne, Reportertext. Deshalb also muss der Text möglichst einfach und sofort zu verstehen sein. Er sollte in origineller Umgangssprache geschrieben sein, denn diese erfüllt am ehesten die oben beschriebenen Voraussetzungen. Ein gutes Mittel, um zu überprüfen, ob der Text diesen Anforderungen genügt, lautet: Wörter zählen! Mehr als zehn in einem Satz sind zu viel! Oder: Kommas zählen. Mehr als eins ist nicht erlaubt. Einschübe zwischen zwei Kommas ergeben meist einen schönen neuen Satz.

Verwenden Sie allerhöchstens eine einzige Zahl pro Filmminute. Und bitte nur eine Zahl, die wirklich aussagekräftig ist. Wenn ein Platz 7350 Quadratmeter gross ist, kann sich kaum ein Zuschauer darunter etwas vorstellen. "So gross wie ein Fussballfeld ..." beschreibt es besser.

Schliesslich sollte der Text versuchen, Spannung zu schaffen: "Ein ganz normaler Bürotag für Schnakenforscher Dr. Müller aber dieser Tag wird voller Überraschungen sein ...". So lassen sich "Cliffhanger“ einbauen, die den Zuschauer unseres Videos dranhalten, ihm signalisieren, bleib hier, da kommt noch etwas, das für dich interessant sein wird. Dieses Versprechen Muss natürlich auch eingelöst werden, sonst verabschiedet sich der Zuschauer.

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Text erzählt

Um einen guten Text zu schreiben, benötigt man Verben, Verben, Verben. Substantive sind Sprech- und Hörbremsen stehen in Magisterarbeiten, Anwaltsschreiben und Bescheiden des Finanzamts. Aber ein Hör-Text, der das Bild ergänzen soll, wird immer auf Anhäufung von Substativen verzichten. Verben helfen zu erzählen, sie schaffen Spannung und Sprachbilder. Wann immer ein Substantiv durch ein Verb ersetzt werden kann, wird der Text deutlich besser. (Hier könnte jetzt auch stehen: Eine Substantivierung des Textes ergibt eine deutliche Verbesserung und Vereinfachung. Zu den ganz besonders bösen "ung"-Worten kommen wir gleich noch!) Ganz wichtig: keine grammatikalische Korrektheit anstreben. Video-Texte sind nicht fürs Proseminar gedacht, sie sind sozusagen flüchtiges Verbrauchsgut. Deshalb lesen sich Filmkommentar Texte so merkwürdig denn fürs Lesen sind sie nicht geschrieben. Sie entfalten ihre ganze "Pracht" erst beim Hören.

Manchmal genügt auch nur ein Wort oder ein kurzer Halbsatz:

"Angst! " "Unmöglich" "Auch wenn's schwerfällt ... !" "ob er's schafft?" Videoreportagen sollten Autoren die Sprache benutzen, die ihnen vertraut ist und die auch im Alltagsleben benutzt wird. Das schafft Glaubwürdigkeit.

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Die No-No-Liste

Soweit das Positive. Jetzt zur No-No-Liste. Benutzen Sie keine Fachwörter, Fremdwörter, Abkürzungen, keine Wörter mit hohem "Bedeutungsgehalt", weil man ihren Sinn beim einmaligen Hören nicht schnell genug erfassen kann. Während der Betrachter beginnt, über das Gesagte nachzudenken, läuft der Film weiter, und der Faden geht verloren.

Verwenden Sie Superlative bitte möglichst sparsam, ihre inflationäre Benutzung macht den Film nicht dramatischer, sondern lächerlich. Keine größten, schlimmsten, verheerendsten Unglücke, kein Super-Gau. Keine abgedroschenen oder übertriebenen Vergleiche: Schnee kam im Winter 2009/10 nur noch als "Katastrophe" vor, Siege gibt's nur noch als "Erdrutsch", und die Polizei riegelt schon seit langem "hermetisch" ab.

Das alles sind Zugpferde, die noch in den Kinderschuhen stecken um wie Pilze aus dem Boden zu schießen damit endlich Gras über die Sache wächst. Will sagen: Schreiben Sie Ihre Texte so wie Ihr Schnabel gewachsen ist: Geraderaus.

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Das böse, böse „-ung-Wort“

Ein gutes Erkennungsmerkmal für ein Tabu Wort im Film ist "-ung". Wenn ein hässliches "ung"-Hauptwort wie etwa Durchführung, Konsolidierung, Erneuerung auftaucht, ist die Sprachkompetenz abgetaucht. In jedem "ung"-Wort steckt ein Verb. Finden Sie es, benutzen Sie es oder suchen Sie nach einer Alternative.

Fast jede Redaktion, die wir kennen, hat im Sekretariat ein Phrasenschwein. Das wird eifrig gefüllt, vor allem von "ung"-Wort-Benutzern. Fünf Euro sind die Strafe für solche sprachlichen Ausrutscher. Füllen Sie stattdessen doch lieber ein Sparschwein für den Urlaub!

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Sinnlicher Text für „Garten der Sinne“

Als Beispielfilm dient uns, wie im Kapitel Dreh und Schnitt erklärt, der Besuch einer Gruppe von Kindergärtnerinnen im Wiesbadener Schloss Freudenberg. Nachdem der Film fertig geschnitten war, haben wir den Text geschrieben, zunächst die Anmoderation, die zum Thema hinführt. Das können bei einer Ausstrahlung oder Vorführung die Worte des Moderators sein. Bei der Präsentation auf der eigenen Website wäre dort eine Information zu lesen, worum es geht und warum der Film entstanden ist. Die Anmoderation steuert die Aufmerksamkeit des Zuschauers, sie ordnet ein, bevor der Film beginnt. Ohne Anmoderation müsste der Film viel mehr erklären, er müsste sozusagen "vollständiger" geschnitten und getextet werden. Wir wissen, dass viele den Text schon im Kopf haben, bevor sie zum Dreh fahren - wir halten das allerdings für die komplett falsche Methode. Film hat zuallererst mit guten, eindrucksvollen, einprägsamen Bildern und O-Tönen zu tun, die Stimmungen und Gefühle und auch einige Informationen transportieren können. Sagten wir schon, dass Video/Film zu allererst ein emotioniales Medium ist? Vor dem Dreh sollten Sie Informationen sammeln, aber sie noch nicht sofort zu einem "Filmtext" verarbeiten. Das ist der falsche Weg, das führt zu abstrakten, uninspirierten, langweiligen Videos. Die Stärke des Films ist das Erleben und nicht das Referieren, Vortragen, Dozieren!

So sind wir auch in unserem Beispielvideo vorgegangen.

Das sprudelnde Wasser geschnitten als Datei in unserem Channel bei YouTube:


Video auf YouTube

Video auf YouTubeVideo auf YouTube http://www.youtube.com/watch?v=9E3vxXrSRlU

 

Übung
Haben wir uns an alle Regeln fürs gute
Texten gehalten? Seien Sie kritisch!
Die meisten Texte können noch verbessert
werden. Schreiben Sie einen besseren Text!
Das dazu notwendige Videomaterial mit
Geräuschen, aber ohne Kommentarton
finden Sie verlinkt auf unseren Homepages.

Beim Texten haben wir uns also am Bild orientiert, aber ohne es zu beschreiben. Wann immer im Bild Menschen bzw. ihre Handlungen groß zu sehen sind (siehe Storyboard), wird im Text auf sie Bezug genommen (0:38, 0:49, 0:59).

Der Text greift Stimmungen auf, die beim Zuschauer entstehen können. Zum Beispiel am Anfang: "komische Klänge", denn es klingt zunächst fremd, was wir hören.

Die (vermuteten) Fragen des Zuschauers greift der Text auch bei 1:02 auf: "Hm, verwirrend ..." und 1:20: " was hängt denn da?"

Schließlich muss der Text an manchen Stellen erklären, welchen Sinn die Übung macht, die gerade zu sehen ist. Beispiel 0:41: "und dann reiben, Töne machen...“, oder 1.35: "sich mal gegenseitig aufschaukeln...“.

Zunächst also die "Anmoderation" für den Film. Unser Vorschlag:

"Das Schloss ist ein Schlüssel, fordert jeden zur Auseinandersetzung mit sich selbst!" Das glauben die Initiatoren der Wiesbadener Schloss Freudenberg Stiftung. Wer dorthin kommt, soll neue Sicht und Hörweisen lernen,neue Eindrücke beim Tasten und Berühren. Mehr als 80 Installationen, Exponate und Versuchsanordnungen sollen dem Besucher bisher unbekannte Welten eröffnen. „Es ist wie mit dem Küssen, man muss es tun. Dann erst weiß man, was es ist!", verspricht der Chef des Hauses, Mathias Schenk. Doch sehen Sie selbst:"

Und jetzt der Text für den Film über den Besuch der Kindergärtnerinnen im "Garten der Sinne":


Video auf YouTube Die fertige Reportage aus dem Garten der Sinne – bei YouTube: http://www.youtube.com/watch?v=T5wKZNK3wBM

Was haben Sie gelernt?
1. Textperson festlegen
2. Rechercheergebnisse helfen Blockaden zu überwinden
3. Subtext ausdenken
4. Sprechbare Gedankenschritte formulieren
5. Texte sind einfach, kurz, erzählen mit Hilfe von Verben
6. Höchstens zehn Wörter pro Satz, nur eine Zahl pro Minute
7. Grammatikalische Korrektheit muss nicht sein
8. Nur verständliche Wörter verwenden
9."Sprachklischees" meiden
 

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Auszug aus:
Konstanze Werner, Horst Werner

Jeder kann Video
UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz, 2010

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