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Basis-Rezepte für einen besseren (Amateur-) Film


Nach der Analyse unzähliger Filmbesprechungen im Club und an Festivals kristallisieren sich immer wieder die gleichen Dauerbrenner heraus.
Wichtig: Folgendes bezieht sich hauptsächlich auf den klassischen Filmstil mit der Montage von Zeit und Raum. Es gibt jedoch x-andere Arten wie Underground-, Avantgarde-, Experimentalfilm, oder den "europäischen" Filmstil der mit bedeutungsschwangeren Schnitten beim Zuschauer Assoziationen auslösen will. Es kann aber nicht sein, dass ein Autor einen unfertigen Film aus Bequemlichkeit einfach als Experimentalfilm deklariert, - sagt, dass der Film nur für ihn selbst gemacht sei und dann trotzdem seine Gäste damit langweilt!
Echte Experimentalfilme sind jedoch Perlen in der Amateurfilmerwelt! [hagi]


Filmlänge
Eine einfache, geradlininige dramatische Struktur mit Anfang, Mittelteil und Schluss trägt einen Film über 10, maximal 20 Minuten. Dauert der Film länger, ist der Bogen überspannt und das Publikum langweilt sich.1)

Kommentar
ist der simpelste Weg für einen einfallslosen Autor, - für die Zuschauer aber die mühsamste Art, Informationen aufzunehmen.
1)
Alternativen:
1. Das Bild mit den Geräuschen soll sprechen.
2. Dialoge ( Achtung bei Interviews: gestellte Interviews sind schnell durchschaut!)
Schriftdeutsch oder Dialekt?
Hochdeutsch wirkt eher informativ, präzis, korrekt, seriös, distanziert.
Mundart wirkt eher emotional, informell, locker, nahe.
Der Kommentar soll ergänzende Informationen zum Bild liefern, er soll keinesfalls das Bild beschreiben!

 

"Bild-Ton-Schere"
Wenn der Kommentar das erklären soll, was das Bild nicht darzustellen vermag, können die Informationskanäle Bild und Ton voneinander abweichende Botschaften enthalten. Der Empfänger kann aber nicht beidem gleichzeitig folgen. Dann nimmt der Zuschauer entweder Bild- oder Toninformation auf, im schlechtesten Fall schaltet er innerlich sogar ganz ab. 1)

Geräusche
Nur wenn die Geräusche mit dem Bild übereinstimmen, erleben die Zuschauer eine Einstellung als realistisch. Der mit dem Bild aufgenommene Originalton wirkt oft sehr unnatürlich wegen nicht zum Bild passenden Nebengeräuschen.
Geräusche können das Bild über seinen Rahmen hinaus erweitern (Zimmer + Kuhglocken und Hühnergegacker = Landschaft. Zimmer + Verkehrslärm = Stadt)
Geräusche halten die einzelnen Einstellungen einer Szenen zusammen oder kündigen neue Szenen sanft an (J + L - Schnitt).


Musik
Die vielfach unerträglichen Musiksaucen in denen Videos oft von A bis Z ertränkt werden, sind ein Überbleibsel aus der Super-8-Stummfilmzeit. Bekannterweise machte damals eine passende Musik das gespenstisch anzuschauende tonlose Bild sofort etwas angenehmer, jedoch, - heutige Videokameras liefern keine tonlosen Bilder mehr!
Programmatische Musik, wie beispielsweise klassische Symphonien sind bei Amateuren sehr beliebt, gibt es doch hunderte von Fluss-Landschaftsfilme welche mit Smetanas "Die Moldau" 'vertont' wurden. Wichtig ist dabei, dass der Film quasi nach der Musik geschnitten werden muss, damit die Dramatik des Tons mit derjenigen des Bildes synchron läuft. Tipp: Besser "Symphonie" "Symphonie" sein lassen!

Fragen zur Musikauswahl:
Welche Passagen in meinem Film brauchen überhaupt eine Musikuntermalung? Welche Musik eignet sich für den Einstieg, welche für den Schluss? Welche Assoziation ruft die Musik beim Zuschauer hervor und wie passt dies zur entsprechenden Szene? Haftet der Musik ein Code an? wie beispielsweise: "Der Hochzeitsmarsch“, "Das Negerbegräbnis", "Die Nationalhymne", "Es gibt kein Bier auf Hawaii". Wirkt dieser Code unterstützend, informativ, homoristisch, kommentierend oder kontrastierend?
Wie setzte ich die
Stille ein? Stille kann Spannung erzeugen.

Archivmusik (Mood-Music) -CD's ... wie die in der Stummfilmzeit (bis 1926) von den Kino-Orchestern verwendeten Kinothek-Nummern, liefern zu jedem Stichwort eine passende Musiksequenz. Diese kurzen Musikstücke sind so gestaltet, dass sie nach Bedarf verlängert werden können.

Bezugsquelle: siehe LINKS mit  empfohlenen Sites

Übergänge - Schnitt
Zwei Einstellungen aneinanderfügen (Hard Cut) ist der Normalfall und bei fast allen Schnitten der sinnvollste. Jede Abweichung sollte aus der Kommunikations-Absicht motiviert sein und nicht einfach als visueller "Gag" dienen.
Digitale Bildübergänge (Trickblenden) sind kein Ersatz für eine fantasielose Dramaturgie und auch nicht für den bewussten Einsatz gestalterischer Mittel!
Beim klassischen Kontinuitäts-Stil (Hollywood-Stil), vom Durchschnittsamateur angestrebt, gelten folgende "Regeln":
- jede Sequenz erzählt eine kleine Geschichte (zB: Das ist der Markt (T) – verschiedene Stände (N)– freundliche Gesichter (G)– unterschiedliche Waren (G)– Gesten (G)– Wägen (G)– Einpacken (N)– Frau kauft eine Melone (N) – Melone wird aufgeschnitten (G) – Wir sind am Strand (T) )
- Daraus folgt:
Für einen guten Filmschnitt brauche ich viele Nah- und Grossaufnahmen!
- keine Bild- und Achssprünge
- Schnitte von Totale auf Totale möglichst meiden. Standartschnittmuster: ..... - Totale (T) – Nah (N) – N – Gross (G) – G – N – N – N – G -]
neue Sequenz [-G – N – T - ......
- keine abgebrochenen Schwenks und Zooms
- Gründe für Regelbruch: Erlösung, Schock, Kontrastierung, Neugierde, persönlicher Stil.
Zusätzliche hilfreiche Fragen bei der Montage:
- bringt jede neue Einstellung eine neue Information und die Story vorwärts?
- kann ich eventuell vorhandene Zoom's ganz wegschneiden?
- hat der Panorama-Schwenk ein ruhig stehendes Ende mit einer Attraktion?
- Vorgehen bei einem einfachen Ferienfilm: zuerst fertige Sequenzen montieren. Dann diesen "Kurzfilmchen" einen Attraktivitätsgrad zuordnen. Anschliessend ganzen Film so zusammenstellen, dass zuerst etwas Interessantes kommt, dann das, was man sonst noch zeigen wollte und am Schluss die ultimative Sensation mit dem Ende. (Angestrebte Zuschauerreaktion:"Schade, schon fertig!")

Falls ein Film nach einem
Drehbuch ansteht, ist folgendes zu beachten:
- Dramaturgie ist keine Krankheit, man sollte sie sich auch bei einem Dokfilm zunutze machen!
- Geschickte Autoren (von "Tatsachenfilmen") sind sich der Möglichkeiten dramaturgischer Gesetze bewusst und nutzen sie entsprechend
2)
siehe in deiner Bibliothek: "Die Odyssee des Drehbuchschreibens", Christopher Vogler, oder - "Das Handbuch zum Drehbuch", Syd Field.
- Lieber Drehbuchautor, schreibe nicht: "und dann ..." – "und dann ...", sondern: "und weil ..." - "und weil ...".


Film-TITEL, Zwischen-TITEL
Vorsicht mit übertrieben animierten und bunten Fantasie-Schriften. Titelschriften vor stark bewegtem Hintergrund möglichst vermeiden. Am angenehmsten wirken Schriften in hellen, blassen Farben auf dunklem Hintergrund, beispielsweise ein helles Grau auf dunkelgrauem Grund (besser als weiss auf schwarz). Genügend Abstand vom Bildrand einhalten, am TV wird der Rand beschnitten! Dauer der Titeleinblendung etwa so, dass man den Text zweimal laut lesen kann. Schriftgrösse so wählen, dass auch auf einem kleinen TV etwas zu erkennen ist

Beachte:

Wer alle Regeln beherrscht, darf diese auch brechen!

 


 

Original-Jurybemerkungen (hauptsächlich die kritischen, frei und zusammenhangslos aus Regionalfestivals zusammengestellt):

 

  • - Der Film ist um einiges zu lang. Der Aufbau und die Struktur sollten noch überdacht werden. Zu viele Wiederholungen vermeiden.
  •  - Leider ist der Kommentar durch den technisch mangelhaften Ton auch oft schwer verständlich. Zum Teil wird auch wörtlich der Inhalt des Bildes erklärt.
  •  - Zu oft werden jedoch Retour-Zooms eingesetzt, zum Teil verwackelt und ohne eigentliches Ziel am Ende.
  •  - Ein Höhepunkt wurde schmerzlich vermisst.
  •  - Insgesamt ist der Film sehr sympathisch und das langsame, dem Alltag angepasste Tempo, ist zwar angenehm, wirkt letztendlich aber etwas zu lang.
  •  - Bedauerlicherweise wurden die wirklich ruhigen Tieraufnahmen mit zu pompöser Musik erdrückt.
  •  - Die auch wirklich gelungenen Grossaufnahmen können aber nicht darüber hinwegtäuschen, das der Film keinen eigentlichen Höhepunkt aufweisen kann.
  •  - Unsäglich und absolut lästig, gar ins Unerträgliche führend ist die sich immer wiederholende Musik, die zudem noch dominant abgemischt wurde.
  •  - Unschön wirken aber die Schnitte in die Zooms und Schwenks, wobei die Schwenks eher verwirrend denn führend sind. Von beiden aber war es ein bisschen zuviel des Guten.
  •  - Die Montage wirkt manchmal hin- und hergeschnitten und beinhaltet zu viele Wiederholungen von einzelnen Szenen.
  •  - Mit der Zeit wirkt er etwas lang, ist einmal fast fertig und beginnt nochmals. Trotzdem wären die vielen Wiederholungen nicht nötig gewesen. Die Story wirkt mit der Zeit langweilig und ausgewalzt.
  •  - Schöne angenehme Bilder.Kann's aber nicht verklemmen die berühmten "Blumen Zwischen-Schnitte" einzubauen.
  •  - Der Ablauf wird aber gehemmt von Wiederholungen, und von etlichen Längen.
  •  - Manchmal hat der Text keinen Bezug zum Bild und ein übergeordnetes Konzept ist nicht immer ersichtlich.
  •  - Die Musik fanden wir zu präsent und zu beliebig
  •  - Die Montage leidet jedoch durch Schnittfehler (zB: T auf T) , in beliebige Richtungen zusammengefügte Schwenks, holprige Tonübergänge und –Löcher.
  •  - Die 20 Minuten werden gegen Schluss immer länger und wir möchten anstelle von Wiederholungen im Tempo des ersten Teiles neue Sensationen erfahren.
  •  - Der Ablauf des Filmes wird gehemmt durch viele Wiederholungen und in die Länge gezogenen Sequenzen.
  •  - Der Ton weist einen schlechtverständlichen Kommentar und eine zu dominante Musik auf.
  •  - Einige Wiederholungen die nicht zum Kürzen genutzt wurden, hemmen den Fluss der Geschichte.
  •  - Effekte wirken oft gesucht und aufgesetzt.
  •  - (Interessant) Dieser Dokumentarfilm besticht durch seinen durchdachten Aufbau, die Aussage der Menschen und die schöne Fotografie. Die Handkamera fängt mitten aus dem Geschehen ein Stück Leben ein. Die gelungene Mischung von Reportage- und poetischem Experimentalstil empfinden wir einfühlsam und ausdrucksstark. (....) Eine gewisse Unordnung im Ablauf, Montagefehler und Bildsprünge können die Glaubhaftigkeit noch verstärken.(siehe Montage-Stil !)
  •  - Etliche Einstellungen ohne neuen Informationsgehalt hemmen den Fluss der Geschichte.
  •  - Die Montage des Films finden wir aber etwas konzeptlos und die unmotivierten Hin- und -herschnitte können keine Spannung erzeugen.
  •  - Auch der Bildausschnitt, die Kadrierung scheint uns nicht immer geglückt.
  •  - Man kann den Willen und die eigene Kreativität des Autors nicht erkennen.

 

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Quellenangaben:
1) Das Produktionshandbuch, Swiss Film and Video Producers 1998
2) Lehrbuch der Filmgestaltung, Pierre Kandorfer

 

 

Film- und Video-Autoren Luzern                             www.fvalu.ch